11.12.2009

Ghats und Gassen

Eine ganz eigentümliche Mischung von Eindrücken zieht uns seit gestern in ihren Bann: Wir sind in Varanasi (oder Benares), dem Zentrum des Hinduismus am Nordufer des Ganges angekommen. Entlang des Flusses tummelt sich das religiöse Leben Indiens, wo dicht an dicht die Ghats das Ufer säumen, das sind breite teils terrassenartige Treppen. Unten am Wasser wäscht man sich und seine Kleidung, und unzählige Bootsfahrer buhlen hier um Passagiere unter den Pilgern und Touristen. Die Ghats selbst sind Schauplatz für allerlei religiöses Treiben. Zur Zeit stehen Hochzeiten besonders hoch im Kurs, da in wenigen Tagen eine jährliche Periode beginnt, die laut Astronomen Unglück für die Ehe bringt, also werden nun noch möglichst viele Paare unter die Haube gebracht. So sitzt dann auch am Haupt-Ghat eine Hochzeitsgesellschaft neben der anderen, und die Trommeln der Priester und Musiker verstummen nie ganz. Einige hundert Meter flussabwärts wird die Stimmung gedämpfter und man gelangt zum Verbrennungs-Ghat, wo Tag und Nacht Feuer brennen und fast ununterbrochen Feuerbestattungen stattfinden. Da der Tod und die Verbrennung in Varanasi den wohl schnellsten und einfachsten Weg für einen Hindu darstellen um vom ewigen Kreislauf der Wiedergeburt erlöst zu werden - dies ist das höchste religiöse Ziel - zieht der Ort mit seinen umliegenden Hospizen unzählige gläubige alte Menschen aus ganz Indien an. Die übrigen Ghats werden von einer bunten Menge Verkäufern, Touristen, Wäschern, Yoga-Übenden und Tieren aller Art bevölkert, die auch sonst überall in der Stadt anzutreffen sind. Die Gassen der Altstadt sind so eng, dass man oft nur zu Fuß vorwärts kommt, und so verwinkelt, dass selbst Krisi, die Kartografin, manchmal die Orientierung verliert. Und nicht selten muss man sich den Weg mühsam zwischen Menschenaufläufen, Verkaufsständen, und den manchmal allzu gemächlichen Kühen hindurch bahnen. All das hat ein faszinierendes Flair. Doch nicht nur Augen, Ohren und Reaktion werden hier beansprucht, auch das Riechorgan kommt voll auf seine Kosten, denn es gibt hinter jeder Straßenecke neue Gerüche zu erkunden und Gestänke auszuhalten: von Blumengirlanden und Räucherstäbchen über Kuhdung und dessen Pendants von sämtlichen in der Stadt vertretenen Spezies bis hin zu den vielfältigen Aromen der indischen Küche. Und wie zum Schmuck der Stadt schweben über den Dächern unzählige Papierdrachen, die die Kinder von den Straßen und Dachterrassen aus steigen lassen.

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